著者
溝井 裕一
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.133, pp.209-218, 2007-10-15

"Der Rattenfanger von Hameln" ist eine der bekanntesten Sagen aus Deutschland. Nach den "Deutsche Sagen" (1816) der Bruder Grimm entfuhrte ein von den Burgern betrogener Pfeifer im Jahr 1284 am Tag Johannes und Paulus (26. Juni) eine Anzahl von Kinder und verschwand mit ihnen im Loch eines Berges, wahrend die alteren Sagen aus dem 13.-15. Jahrhundert nicht die Rattenplage von Hameln, sondern nur die Kindesentfuhrung durch den Pfeifer erwahnen. Unter der Voraussetzung, dass es sich bei der Sage um ein geschichtliches Ereignis handelt, hat man bisher bezuglich der , wahren Begebenheit" manche Hypothese aufgestellt wie die Kriegstheorie, die den Jungenverlust der Schlacht bei Sedemunde um 1260 zuschreibt (C. F. Fein 1749), die Ostkolonisationstheorie (W. Wann 1984), die den Jungenauszug der Sage auf die Immigration zur Besiedlung Mahrens zuruckfuhrt, oder die Katastrophentheorie (W. Woeller 1961), nach der die in Panik geratenen Kinder am 26. Juni 1284 in einem Teich vesunken seien. Doch die Forscher, die verschiedene Hypothesen vom Verschwinden der Kinder aufstellten, scheinen eine wichtige Frage nicht ausreichend beantwortet zu haben : Warum entwickelte sich ein geschichtliches Ereignis zu einer so eindrucksvollen Sage und wurde bis Ende der Neuzeit nacherzahlt? Im Mittelalter gab es noch andere merkwurdige Kinderauszuge, etwa der Kinderkreuzzug von Koln (1212) oder die Kindertanzwut von Erfurt (1237). Doch these Ereignisse entwickelten sich nicht zur Sage. Meines Erachtens spielte bei der Bildung der Rattenfangersage vielmehr der Volksglauben von der Sommersonnenwende (24. Juni, Johannistag) eine groBe Rolle. Denn in der Zeit der Sommersonnenwende - so glaubten die Leute fruher - tauchen die verschiedensten Damonen auf und locken die Menschen in ihre Welt, wahrend sich die Unterwelt in den Bergen offnet. Wie A. Feilhauer (2000) bemerkt, galt der Johannistag, an dem das groBe Fest fruher gefeiert wurde, nicht nur als heiliger Tag, sondern auch als gefahrlicher Tag, denn nach dem alten Volksglauben verlangt der heilige Johannes an diesem Tag drei Opfer. Manche Sagen, die uber Ereignisse am Johannistag bzw. an der Zeit von der Sommersonnenwende erzahlen, spiegeln diesen Glauben wider und beschreiben auch der Rattenfangersage ahnliche Geschichten, zum Beispiel : Zwei Madchen gingen am Johannistag zu einem Berg und begegneten dort einer schwarzen Frau, die sie in ein Erdloch lockt (A. Kuhn/W. Schwartz, 1848) ; oder es soll ein Schafer am Johannistag zum Berg gegangen und dort samt seinen Schafen im Erdboden versunken sein (J.D.H. Temme, 1840). Trotzdem scheint mir, dass es noch kaum Untersuchungen gibt, die die Rattenfangersage den mehr als 100 existierenden deutschsprachigen Sagen uber die Sommersonnenwende zuordnen. Ziel meines Beitrags ist es also, nicht das tatsachliche Ereignis hinter der Rattenfangersage von Hameln aufzudecken, sondern die Entwicklung dieser Sage im Zusammenhang mit dem Glauben von der Sommersonnenwende zu begreifen. Am Anfang dieses Aufsatzes werden die alte Rattenfangersage von Hameln aus dem 13.-15. Jahrhundert sowie die Berichte in der luneburgischen Handschrift (1430/1450) anhand Hans Dobbertins Quellensammlung Zur Hamelner Ratten-fangersage (1970) vorgestellt, und die verschiedenen Hypothesen vom Vorfall zu Hameln werden erortert. Im folgenden Kapitel werden die wichtigen Sagen und Berichte zur Zeit der Sommersonnenwende vorgestellt und mit der Rattenfangersage verglichen. Im dritten Kapitel wird uber die Entwicklung der Hamelnschen Rattenfangersage im Hinblick auf den Volksglauben vom Johannistag und die Weltanschauung des Mittelalters diskutiert. Durch den Vergleich der Rat-tenfangersage mit den anderen Sommersonnenwende-Sagen erkennt man, dass die Leute fruher wohl keine Schwierigkeiten hatten, in der Erzahlung einen Pfeifer die Rolle der Naturdamonen oder Teufeln, die in der Zeit der Som-mersonnenwende aufzutauchen scheinen, spielen zu lassen. Auch dieser Vergleich veranschaulicht, dass der Berg, in dem die Hamelnschen Kinder mit dem damonischen Pfeifer verschwanden, nicht nur der Ort irgendeines geschichtlichen Ereignisses ist. Es war der Ort, der sich am Johannistag auftut und Menschen verschlingt (F. Rostek-Luhmann erwahnt 1995 bei ihrer psychologischen Analyse uber den Einfluss der Vorstellungen vom sich am Johannistag offnenden Berg an die Rattenfangersage). Hier werde ich nicht nur die Naturanschauung des Mittelalters, sondern auch die altgermanische Totenweltvorstellung und deren Christianisierung anhand der Arbeiten von L. Petzeoldt (2002) vorstellen. Meine These in diesem Beitrag ist : Das Datum des Ereignisses in Hameln, der 26. Juni, gab Anlass, den geschichtlichen Bericht mit den Motiven vom damonischen Pfeifer sowie von der Unterwelt im Berg zu verknupfen, und damit erhielt die Hamelner Sage ahnliche Zuge wie andere Sagen vom Johannistag. Die Entwicklung der Sage von Hameln, eine Erzahlung uber das Verschwinden der Kinder durch den daemonischen Pfeifer zur Zeit der Sommersonnenwende, ist durch die Aufklarung des geschichtlichen Hintergrundes nicht vollstandig zu begreifen. Vielmehr kann der Grund ihrer Ausbildung erst verstanden werden, wenn man these Sage mit anderen Sagen zur Zeit des Johannistages, der Zeit, wenn die "andere Welt" sich auftut, vergleicht und ihre Beziehung zu Weltanschauung und Volksglauben der damaligen Epoche mit in Betracht zieht.
著者
四ッ谷 亮子
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.133, pp.115-128, 2007-10-15

Bei Heiner Muller spielen Motive aus der griechischen Antike durchgangig eine sehr wichtige Rolle. In diesem Aufsatz werden sie zum einen im Bezug auf das Verfahren der "Amalgamierung" (U. Hass) von Mythen und der Struktur der Werke H. Mullers, zum anderen im Bezug auf das in ihnen und durch sie artikulierte Frauen- und Mannerbild untersucht. Daruber hinaus wird die Veranderung der Schreibweise Mullers vom theatralischen Dialog zum 'pluralen Monolog', die manchmal mit der Verwandlung der gewahlten Motive aus der Antike in eins fallt, genauer dargestellt. Und es soll auch der damit zusammenhangende, 'energetische' Wahrnehmungs- und Denkprozess des Lesers bzw. Zuschauers im Theater angesprochen werden. Zunachst wird die erste Phase der Rezeption der griechischen Antike, insbesondere der Tragodie, bei Muller in den 50er und 60er Jahren behandelt. Parallel zum Schreiben der "Produktionsstucke" liest er Werke von Vorgangern und schreibt seine Kommentare zu eigenen lyrischen Werken um. Diese Arbeit der Kommentierung fuhrt weiter zum Theaterstuck "Philoktet" (1958/64). Die Personen in diesem Stuck verlieren den Charakter des prototypischen Helden im Mythos, wodurch Muller auf ein relativiertes Geschichtsmodell Bezug nimmt. 1971 wurde die Honecker-Regierung gebildet, was eine drastische Veranderung der Kulturpolitik nach sich zog. In "Zement", geschrieben 1972, sind Titel, die sich von griechischen Mythen herleiten, oder, damit verbunden, ins Stuck eingeschobene Prosatexte ("Herakles 2 oder Hydra" usw.), d.h. eine distanzierte, komentierte Schreibweise charakteristisch. Die Personen sprechen zwar Dialoge, aber ihr Inhalt trennt sich vom Subjekt der jeweiligen agierenden Personen, und ihre Aussrungen verschwinden im Anonymen, Universalen. In dem Stuck verandert sich auch das Frauenbild : Wahrend zuvor die Frauen im Produktionsstuck sowohl kampfen als auch gebaren wollten, gibt es nun ein anderes Bild von Frauen. Es sind Frauen, die gegen die Gesellschaft kampfen, aber 'nicht gebaren' wollen. Dieses neue Bild der Frauen bezieht sich auf den Medea-Topos und hinterfragt das bisherige, von Mannern zu idealistisch dargestellte Frauenbild. Mullers Aufenthalt in den USA 1975 bot ihm die Gelegenheit weit entfernt von der DDR, die zeitgenossische Geschichte aus einer anderen Perspektive zu betrachten. "Die Hamletmaschine" (1977), geschrieben gleich nach einem Aufenthalt in den USA, stellt deutlicher als zuvor Skepsis in Bezug auf eine stabile Subjektivitat dar, und zwar durch monologische 'Vokalisierung der Diskurse', die das Geschlecht und das Subjekt der Personen zu suspendieren scheint : Mit seinem Text "Ich will eine Frau sein" gibt in der dritten Szene der 'Hamlet Darsteller' seine Mannlichkeit preis, die das abendlandische Wissen als Antrieb der linearen Geschichtsvorstellung symbolisiert. Dagegen mischen sich mit Opheria und Elektra die Rollen, die sowohl Opfer der mannlichen Herrschaft sind, als auch diejenigen, die das schon etablierte System der Geschichte zugrunde gehen lassen und es in veranderter Form aufs Neue rekonstruieren konnen. Muller entfaltet in der "Hamletmaschine" eine paradoxe Argumentation in Bezug auf die Existenz der Frau, die erst dann entstehen kann, wenn es kein Subjekt mehr gibt. Ende der 70er Jahre entstanden parallel dazu verschiedene Texte, die mit einem einfachen Rollenspiel des Schauspielers nicht mehr spielbar, die "metatheatral" sind und die einen Theaterraum brauchen, in dem der polyphone Monolog zum Klingen kommt, der weder mit dem Dialog der griechischen Tragodie noch mit dem interpersonalen Monolog der Neuzeit identisch ist. Das Medea-Motiv, das H. Muller zuerst in "Zement" aufgreift, wird in "Verkommenes Ufer Medeamaterial Landschaft mit Argonauten" (1982) immer starker. In der zweiten Szene, die einer griechischen Tragodie nachempfunden ist, nimmt der Monolog Medeas, der Protagonistin der Tragodie, die Geschichte der kommenden Ermordung vorweg und zeigt damit auch Medeas Perspektive, die ihrerseits Dramatikerin ist. Medea offenbart auBrdem ihren Wunsch, "die Menschheit in zwei Stucke" zu brechen und "in der leeren Mitte" weder als Frau noch als Mann zu leben. In der dritten Szene, "Landschaft mit Argonauten", werden allerlei "Endstationen der Konsumgesellschaft" ausgestellt (ein leeres Kino, Landschaften aus Mull usw.). Aus den Korpern der verstorbenen Argonauten im fremden Meer scheint sich hier die Geschichte der Kolonisierten, die in die Landkarte der Eroberer eingeschrieben wurde, von der Gegenwart zur Antike zuruckzuwenden. Nun vereinigen sich die Stimme von Medea, die ihr Subjekt als Frau, d.h. als Gebarmaschine der Geschichte aufgibt, und die der namenlosen Opfer der Kolonisation zu allen Zeiten vor dem Horizont des Todes. In "Bildbeschreibung" (1984), eine Ubermalung' von Alkestis, wird das Thema der Zerstreuung des Subjekts auf der Ebene des Todes am weitgehendsten radikalisiert. Der Text setzt die Bewegung einer von nun an zu entstehenden Gewalt, eines Geschlechtsaktes und Mordes in Gang und identifiziert sie mit dem Rhythmus der Blicke des Betrachters des Bildes/Lesers/Zuschauers. Er zitiert dabei verschiedene Texte, das No-Spiel "Kumasaka", "The Tempest" von Shakespeare and Odysseus' Hadesfahrt aus dem 11. Gesang der "Odyssee", wo es sich um die Ruckkehr des Toten handelt, und unter den Namen Admetos, der, gebunden durch ein Apollo gegebenes Versprechen, seine Frau als Opfer darbietet, und Alkestis, die mit Hilfe von Herakles aus dem Hades geholt wird, werden zwei gegenuberstehende Schemata thematisiert : Das erstere thematisiert die Grenze eines Bildes in Richtung auf die Vergangenheit der Autoritat und der Geschichte. Das zweite zeigt die Moglichkeit des Bild-Beschreibens, den Moment des Geschehens in seiner sowohl zeitlichen als auch raumlichen Transzendenz. Mullers "Bildbeschreibung" mit einer vom Theaterstuck entfernten Form, enthalt aber trotzdem durch Meta-Theatralitat eine Reflexion uber Theatralitat, welche den Zuschauern die Frage der Beziehung zwischen der Buhne und ihnen selbst stellt. In der Serie "Wolokolamsker Chaussee 1-5" (1984/87), bei der Muller wieder die Brechtsche Lehrstucktheorie anwandte, gibt es einen Teil (4), wo ein Kentaur, der sich in einen Schreibtisch, ein Symbol des Burokratismus, verwandelt, als Protagonist der Farce auftritt. In den beiden Gedichten um Ajax, "Ajax, zum Beispiel", "Ajax", stellt Ajax einen anonymen Selbstmorder dar, der den zu schnellen politischen Wechsel nach dem Tod Stalins nicht ertragen konnte. Diese beiden Helden beherrschen den polyphonen Monolog, horen den Opfern der Vergangenheit zu und blicken auf den Wendepunkt der Nachkriegszeit zuruck, ohne dabei uber ihre eigene ungeklarte Situation zu klagen, wie die prototypischen Helden in den fruheren Texten.
著者
宮城 保之
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.142, pp.120-132, 2011-03-25

Theologische Interpretationen uber Walter Benjamin wurden bisher hauptsachlich unter dem Gesichtspunkt der judischen Religion bzw. im Hinblick auf den Umgang mit den Theologen, die zu Lebzeiten mit ihm verkehrten, durchgefuhrt. In diesem Aufsatz wird aber versucht, die Korrespondenz zwischen ihm und dem protestantischen Theologen Paul Tillich als Korrespondenz zwischen zwei zeitgenossischen Kulturtheologen zu verstehen. Ausgangspunkt ist der von Tillich 1919 gehaltene Vortrag Uber die Idee einer Theologie der Kultur. Darin bestimmt er die Theologie als Teil der normativen Kulturwissenschaften und entwirft eine Kulturtheologie, die zuallererst das Kunstwerk zum Gegenstand hat. Die Religion wird als "Erfahrung des Unbedingten" gekennzeichnet, und deren Ausdruck in der weltlichen Kultur wird thematisiert. Damit zielt er auf den Ubergang von der autonomen Kultur zur theonomen. In ersterer gilt die Vollendung der Form als das Ziel kunstlerischen Strebens, in der zweiten aber geht es um die Offenbarung eines Gehalts, der allein durch das Zerbrechen der Form zum Vorschein kommen kann. Kennzeichen religioser Kunst ist namlich nicht ein moralischer Inhalt des Werks, sondern die den Inhalt vernichtende radikale Negation der Form und die so zustande kommende Offenbarung des Gehalts. Dieser Entwurf der Kulturtheologie Tillichs korrespondiert in nicht wenigen Punkten dem theologischen Denken Benjamins. Erstens betrachtet auch Benjamin ausfuhrlich das Verhaltnis von Form und Gehalt aus theologischer Perspektive; bei ihm entspricht es jedoch dem Verhaltnis vom Griechischen zum Orientalischen bzw. vom Mythischen zum Gottlichen. In Zwei Gedichte von Friedrich Holderlin bezeichnet er den Gehalt als das orientalische, Grenzen uberwindende Prinzip, das das griechische gestaltende Prinzip aufhebt. In Zur Kritik der Gewalt kommt das Verhaltnis zwischen der rechtsetzenden mythischen und der rechtsvernichtenden gottlichen Gewalt zum Ausdruck. Und wie Tillich die Form als unentbehrliche Vermittlungsinstanz fur die Offenbarung des Gehalts ansieht, so gilt auch bei Benjamin das Mythische vor allem in der Literatur als unentbehrliche Voraussetzung fur die Erwartung des Messianischen. In Goethes Wahlverwandtschaften regiert die mythische Kraft als leise Verfehltheit das Verhaltnis zwischen den Gestalten. Im Werk Kafkas erscheint die mythische Ordnung noch deutlicher als "Entstellung" der Figuren wie jener Odradeks. Andererseits deutet Tillich das Zerbrechen der Form in der expressionistischen Kunst als Ausdruck eines Schuldgefuhls der Existenz im kosmischen Sinne. Zweitens kann man den symbolischen Charakter der Kultur anfuhren. Um in der bedingten Kultur das Unbedingte zu erfahren, braucht man die Kraft der schonungslosen Negation. Auf dieser Wendung vom radikalen Nein zum radikalen Ja beruht der symbolische Charakter der Kultur. In der 1921 veroffentlichten 2. Ausgabe des Vortragstexts anderte Tillich die Definition der Religion von der "Erfahrung des Unbedingten" zu "Richtung auf das Unbedingte". Benjamin sah auch 1918 die Aufgabe der kommenden Philosophie darin, die Erfahrung und Lehre von Gott zu ermoglichen; in der 1921 veroffentlichten Aufgabe des Ubersetzers soll aber die refine, d.h. gottliche, Sprache allein durch einander erganzende "Intentionen" fremder Sprachen erreichbar werden. In den Begriffen "Richtung" und "Intentionen" zeigt sich hier das symbolische Verhaltnis der Kultur zur Religion deutlicher. Als literarisches Beispiel dafur kann man Kafkas Werk anfuhren. Im Gegensatz zu den theologischen Interpretationen uber Kafka seit Brod richtet Benjamin seine Aufmerksamkeit auf darin auftretende Gesten. Sie haben zwar keine sichere symbolische Bedeutung, spielen aber auf etwas an, das auch dem Verfasser unverstandlich ist. Es ist nach Benjamin die Gnade des Werkes Kafkas, dass dieses Etwas nicht festgelegt wird und unvollendet bleibt. Tillich beachtet auch Symbole in den Romanen Kafkas, sieht diese aber als Symbole der Angst, die auf etwas Angsterregendes, jedoch Unbestimmtes, gerichtet sind. Obwohl sich Benjamin wie Tillich fur die symbolische Dimension der Sprache interessiert, spielt bei ihm die Allegorie eine entscheidende Rolle fur die Erlosung. Sie beruht auf dem judischen Messianismus, der im Gegensatz zum christlichen keine Inkarnation kennt und die Erlosung als Ausgleich fur die Katastrophe ansieht. Sowohl nach Tillich als auch nach Benjamin beruhen die stilistischen Merkmale der avantgardistischen Kunst auf der damals vorherrschenden theologischen Forderung, bei der das Negative eine unentbehrliche Rolle spielt. Theologisch gesehen gilt es als Widerstand gegen die pseudoreligiose Ideologisierung der Kultur. Andererseits darf aber auch nicht vergessen werden, dass eine dialektische bzw. paradoxe Verbindung des Negativen mit dem Positiven immer gefordert werden soll, die allein theologisch begrundet werden kann.
著者
森澤 万里子
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.140, pp.60-75, 2010-03-25

Ein Zugang zur deutschen Sprachgeschichtsforschung unter soziopragmatischen Aspekten ist, Eigenschaften einzelner Textsorten, die unter verschiedenen historischen und gesellschaftlichen Bedingungen entstanden, zu analysieren. Dabei handelt es sich um typische sprachliche Ausdrucksmittel auf verschiedenen Ebenen innerhalb einer Textsorte, die ein kommunikatives Handlungsmuster Widerspiegeln. Wenn sich kommunikative Bedingungen verandern, schlagen sich diese Veranderungen auf die Ausdrucksmittel nieder. Eine Analyse des Wandels von Texten bzw. Textsorten anhand von typischen Ausdrucksmitteln kann daher uber den Wandel eines kommunikativen Handlungsmusters Aufschluss geben. In diesem Zusammenhang soll in der vorliegenden Arbeit das Augenmerk auf "Turkenschriften" als aktuelle Berichte gerichtet werden. Im 16. Jahrhundert wurden christlich gepragte europaische Lander von der osmanischen Armee angegriffen, vor allem versetzte die "Wiener Turkenbelagerung" (1529) den Deutschen einen grossen Schock. Daher kamen viele Berichte uber die Turken in Form von Flugschriften und Einblattdrucken auf den Markt. Turkenschriften konnen also als ein furs 16. Jahrhundert typisches Genre gelten, in dem typische sprachliche Ausdrucksmittel unter Berucksichtigung des historischen und sozialen Kontextes zu untersuchen sind. Als Beispiele der Texte dieses Genres werden zwei Flugschriften aufgefuhrt: "Turckische belegerung der stat Wien" (1529) und "Tu^^erckische grosse Niderlag" (1579). Die erstere ist eine aktuelle Nachricht uber den Angriff der Turken auf die Christen. Die letztere berichtet uber den Sieg der Perser uber die Turken im Jahre 1579, d.h., sie beschreibt nicht direkt einen Krieg von Christen gegen Turken. Bemerkenswert ist, dass in den Darstellungen dieser zwei Flugschriften die Grausamkeit von Turken in den Vordergrund geruckt ist, besonders in der zweiten. Der grosste Unterschied zwischen den beiden Flugschriften liegt dagegen in der Textgestaltung: in der zweiten wurde dem eigentlichen Bericht eine Art Kommentar hinzugefugt, der fur den aktuellen Bericht uber den Krieg an sich nicht notig war. Dieser im Predigtstil verfasste Kommentar enthalt als einen der Zwecke dieses Berichts eine Ermahnung zur Busse, d.h., die Niederlage-und auch der Sieg-der Turken beruht eigentlich auf Gottes Willen. Daher setzt Gott die sundhaften Christen der Turkengefahr aus, um sie zu bestrafen. Ein soldier fur das Mittelalter typische Textabschnitt erscheint haufig in Einblattdrucken mit dem Thema "Mirakel". Dort wird aus wunderbaren Erscheinungen wie "Blutwunder" der Gotteszorn bzw. eine Warnung abgelesen. In diesem Kontext durften die "Turken" in der zweiten Flugschrift mit solchen Erscheinungen auf eine vergLeichbare Ebene gesetzt werden. Einer der Faktoren dafur, dass die Turkengefahr als ein Zeichen von Gottes Willen gait, konnte daraus erschlossen werden, dass in Turkenschriften die "Grausamkeit" zum Topos wurde. Beim Publikum, das nach einem starken Reiz verlangt, kommen grausame Darstellungen gut an. Diese Reaktion der Adressaten wird auf die Herstellung der Turkenschriften ruckgekoppelt. In dieser Hinsicht spielt die kommerzielle Absicht der Drucker fur die Fixierung des negativen Turkenbildes unter dem Publikum eine grosse Rolle. Bei genauer Betrachtung der damaligen sozialen und politischen Hintergrunde wird allerdings klar, dass von der Absicht der Drucker abgesehen auch andere Interessen mit der Fixierung des Zerrbildes zusammenhangen. Beachtenswert ist die Tatsache, dass wenigstens in den 1520er Jahren das Turkenbild nicht immer negativ ist. Zum Beispiel wird in einer Flugschrift von 1522 die Hoffnung von Leuten aus der niedrigen Sozialschicht auf die Turken erwahnt: Eine turkische Regierung konne eine Verbesserung ihrer schwierigen Lage bedeuten. Die positiven Meinungen werden jedoch allmahlich von den negativen verdrangt. Die katholische Kirche sprach damals von einer Notwendigkeit des Kreuzzugs, eines Krieges der ganzen Christenheit gegen die Turken. Unter diesen Verhaltnissen betonten diejenigen, die den Krieg unterstutzten, das Bild vom grausamen Turken, um unter dem Volk Hass gegen die Turken zu schuren und die offentliche Meinung zu ihren Gunsten zu manipulieren. Daraus lasst sich schliessen, dass an der Bildung des Topos "Grausamkeit" in Turkenschriften nicht nur die kommerziellen Absichten der Drucker, sondern auch die politischen Ziele der katholischen Kirche Anteil haben. Mit anderen Worten: die jeweiligen Absichten von Druckern und Kirche konnen also mit den kommunikativen Bedingungen, die zur Entstehung von Topos und Kommentar gefuhrt haben, gleichgesetzt werden. Das absichtlich gestaltete Zerrbild und der fur das Mittelalter typische Kommentar verschwinden mit der Veranderung der gesellschaftlichen Bedingungen aus den "Neuigkeitsberichten", die sich aufs Neue zu einer neutralen Nachricht entwickeln.
著者
小黒 康正
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.138, pp.188-203, 2009-03-25

In der abendlandischen Literaturgeschichte werden bestimmte Motivkomplexe bis heute in ungebrochener Tradition nach- und neuerzahlt. Dem Typ "Wasserfraugeschichte" kommt dabei eine besondere Rolle zu, da sich eine solche Sage umfassend und ausfuhrlich mit der Problematik des Fremden befasst. Seit der Sirenenepisode in der "Odyssee" handelt es sich in diesem Uberlieferungsbereich um eine Auseinandersetzung zwischen Menschen und Meergeistern. Dieser Konflikt wird in facettenreichen Geschichten dargestellt, welche die Dichotomien von Land und Wasser, Mensch und Natur, Mannlichem und Weiblichem, Verwandtschaft und Fremdheit in Szene setzen. Das literarische Erzahlen richtet sich gern auf etwas, das absolut fremd, das unsagbar oder unerkennbar ist, und versucht, es bekannt und erzahlbar zu machen, wobei es freilich nicht immer verstandlicher wird. Fur die Poesie bedeutet es eine Herausforderung, dieses Fremde in der Sprache einzufangen, obwohl es auch dann oft unentziffert bleibt. Diese unermudliche Bestrebung ist mit dem Prozess einer "Ubersetzung" zu vergleichen, die zwischen zwei Moglichkeiten zu wahlen hat: zwischen einer freien, die das Unbekannte vage oder traumhaft-phantastisch zum Ausdruck zu bringen versucht, und einer wortlichen "Ubersetzung", die das zu "Ubersetzende" begrifflich-systematisch in die verstandesmassige Sprachkonvention einzuordnen bestrebt ist. Wahrend bei einer glatten Ubersetzung sozusagen Frieden zwischen Eigenem und Anderem herrscht, gibt es bei einer barten Ubersetzung einen standigen Widerstreit zwischen dem Eigenen und dem Fremden. In diesem Zusammenhang ist Fouques "Undine" als Hohepunkt der glatten "Ubersetzung" von besonderem Interesse. Das Kunstmarchen fangt mit dem Bild der Aussohnung zwischen Land und Wasser an und endet mit der ewigen Umarmung der Wasserfrau durch den Landmann. Wenn aber beide voneinander getrennt sind, verbindet der Traum den menschlichen Alltag mit der nicht-menschlichen Fremde. Das Kunstmarchen steht im Zeichen angestrebter Versohnung. Die beseelte Wasserfrau ist keine Verfuhrerin mehr, sondern vielmehr ein neues Opfer. Im neueren Marchen verliert die "alte Seele" der Menschen ihr Prestige, und die "neue Seele" der Wasserfrau wird verklart, sodass man sie unsaglich vermisst, wenn sie nicht oder nicht mehr da ist. Die Trauer uber den Verlust einer solchen "neuen Seele" ist haufig der Kern einer Sage, die von der ewigen Liebe erzahlt. In Kunstmarchen dieses Typs erscheint die Kommunikation zwischen Eigenem und Fremdem als so unproblematisch, dass man annehmen kann, es gehe um die utopische Sehnsucht nach der Versohnung von Mensch und Natur. In der "neuen Mythologie" Fouques tragen Landmann und Wasserfrau keinen mythischen Konflikt mehr aus. Dennoch muss festgehalten werden, dass diese Wasserfraugeschichte aus dem Jahr 1811 zwischen den beiden genannten Moglichkeiten des "Ubersetzens" schwankt. Kleists "Wassermanner und Sirenen" setzt sich unter allen Versuchen am unmittelbarsten mit dem Wirklichkeitsfremden solcher Wesen auseinander, um es in die verstandesgemasse Sprachkonvention einzuordnen. Es geht hier um Gefangennahme, Domestizierung und Obduktion. Die Domestizierungsversuche betreffen Kleidung, Nahrung und Wohnung. Ausserdem wird festgestellt, dass der Wassermann schliesslich sprechen lernt, weil der Sprachunterricht zu den grossten Zahmungsprogrammen gehort. Sein Vokabular und uberhaupt seine Kommunikationsfahigkeit zeugen einerseits von dem Erfolg menschlicher Praktiken des Domestizierens, andererseits von der Anpassungsfahigkeit eines solchen Naturwesens, das sich irgendwie in die Zivilisation einlebt. Auch "eine sogenannte Sirene" setzte man dem Licht der Aufklarung aus. Das weibliche Wasserwesen ist jedoch fremd-naturlicher als das mannliche, weil es nicht zufallig, sondern "immer" den animalischen Instinkt, zum Nest zuruckzukehren, habe. Ihre fundamentale Fremdheit besteht aber nicht in dieser naturlichen Regung, sondern in der Unfahigkeit, zu sprechen. Sie kann weder sich artikulieren noch sich uberhaupt sprachlich verstandigen. Bei Kleist wird in diesen halbmenschlichen Wasserwesen der Unterschied der Geschlechter nicht nur korperlich manifest, sondern auch in sprachlicher Hinsicht. Wenn er die "dunkleren" Wasserwesen erwahnt, gerat der Bericht in Unordnung, weil er nur scheinbar objektiv ist. Es kommt zu einer Obduktion, die freilich nicht streng medizinisch vor sich geht, sondern die ihren Gegenstand eher physiognomisch erklart wird. Es gibt hier zwar eine recht unzureichende Kennzeichnung des Gesichts und der menschlichen Korperteile, aber die tierische, nicht-menschliche Beschaffenheit des Wasserwesens wird nicht erfasst. Das Ergebnis der Sezierung ist zu unbestimmt, als dass an diesem Naturwesen eine neue Seite entdeckt wurde. Man versucht, erkenntnistheoretisch gesagt, weder bis an die Grenze der Erkenntnis zu gehen noch die Dunkelheit des Unbekannten zu uberwinden, indem man es in die verstandesgemasse Sprachordnung einbezieht. Am Ende des Textes bestatigt eine damals autoritative Enzyklopadie die Existenz eines "Fischnikkel(s)" oder "Nickelmanns", aber nicht einer "Nickelfrau", geschweige denn die von Sirenen. Der Text lenkt unsere Aufmerksamkeit von den Sirenen ab und bringt das Gesprach auf die Wassermanner zuruck, um die Sache schliesslich ganz einseitig darzustellen. Der schiefe Gestus des Berichts verrat, dass er nur scheinbar objektiv ist. Was nicht domestiziert werden kann, wird seziert, doch nur mit dem Erfolg, dass es fur den Verstand weiterhin dunkel bleibt. Was selbst unter dem Seziermesser nicht erklart werden kann, wird aber unbemerkt beseitigt, um dem nuchternen Verstand am Ende doch Recht zu geben. In diesem Text dreht es sich nicht nur um die grosse Wissbegierde des Verstandesmenschen, sondern auch um seine Selbsttauschung. Bei Kleist konnen Sirenen kaum sprechen, geschweige denn singen, und nur unartikuliert achzen. In Sagen der Antike verfugen sie aber uber betorende Stimmen als Mittel der Verfuhrung, und auch in der deutschen Romantik locken die Wasserfrauen sonst mit jungfraulichem Leib und dem Zauber ihrer Stimme Manner ins Wasser. Seit alters konnen sich in der Dichtung "Landmanner" und "Wasserfrauen" sprachlich verstandigen, ob sie sich nun feindlich oder freundlich gesonnen sind. Die meisten "Wasserfraugeschichten" zeichnen sich gerade dadurch aus, dass eine sprachliche Kommunikation zwischen dem Eigenen und dem Fremden schliesslich doch gelingt. In Kleists "Wassermanner und Sirenen" erscheint aber das fremdere Wasserwesen nicht als redseliger Elementargeist, sondern in seiner sprachlosen Weiblichkeit, sodass hier das Fremd-Wort "Sirenen" in der eigenen, dem Verstand gemassen Sprachordnung besser Wasserfrau heissen sollte als Wasserfrau. Diese weibliche Sprachlosigkeit scheint jene Epoche vorwegzunehmen, die 1837 mit Andersens "Die Kleine Meerjungfrau" einsetzte. In ihr ging es dann - z.B. bei Rilke, Kafka, Th. Mann, Bachmann - um sprachlose oder schweigende Wasserfrauen. 1811 hatte die glatte Ubersetzung in Fouques "Undine" ihren Hohepunkt erreicht, wonach sich Landmann und Wasserfrau versohnen konnen; Kleists "Wassermanner und Sirenen" aus demselben Jahr hingegen folgt der Tradition einer harten "Ubersetzung". Hier kommt es erneut zu einem Widerstreit zwischen Landmann und Wasserfrau. In der neuen Epoche endet dieser elementare Kampf nicht mehr in einer Versohnung, sondern bleibt es bei dem bestandigen Krieg der Geschlechter. So wendet sich 1811 der Typ der "Wasserfrau-geschichte" von der glatten "Ubersetzung" langsam ab und hin zur harten.
著者
田中 岩男
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.133, pp.167-183, 2007-10-15

In einigen bedeutenden Faust-Kommentaren und -Forschungen der letzten Jahre, wie bei A. Schone, U. Gaier und J. Schmidt, ist auf die Besonderheit von Goethes Faust hingewiesen worden. So macht Gaier auf die Vieldimensionalitat des Textes aufmerksam, der viele Perspektiven als Sinnschichten in rich enthalte, und fuhrt demnach sieben thematisch verschiedene "Lesarten" vor. Dieser neue Ansatz ist bemerkenswert, ihm fehlt jedoch fast ganz der Blick auf das Scherzhafte als konstitutives Element des Textes, was auch bei Schone und bei Schmidt der Fall ist. Goethe hat in seinem letzten Brief an Humboldt den Faust als "diese sehr ernsten Scherze" bezeichnet, und ein Paralipomenon zum "Vorspiel auf dem Theater" lautet : "Und wenn der Narr durch alle Szenen lauft, /So ist das Stuck genug verbunden." Mit dem "Stuck" ist selbstverstandlich Faust selbst gemeint, und der "Narr" kann nur Mephisto sein. Goethe erteilt dem Narren Mephisto die Aufgabe, das Ganze zusammenzuhalten. Wenn man Mephisto als Narren und das Scherzhafte fur den Faust als konstitutiv auffasst, werden neue Horizonte der Faust-Interpretation eroffnet. Im vorliegenden Aufsatz soll herausgearbeitet werden, dass gerade die narrenhafte Perspektive der "ernsten Scherze" die Vieldeutigkeit und Vielschichtigkeit des Textes bewirkt und zugleich das ganze Stuck zusammenhalt. Als Hintergrund des Narren Mephisto sind einige Elemente zu nennen : die komische Tradition des Faust-Stoffes im Volksbuch und Puppenspiel, die nahe Verwandtschaft des "Urfaust" mit Farcen und Schwanken, die teuflische Herkunft des Narren im geistlichen Spiel des Mittelalters und vor allem die Tradition der barocken Theaterkunst, der geistlichen Buhne und der Commedia dell'arte. Als Herkunft des Narren Mephisto kann man nicht eine einzige benennen, da hier verschiedene komische Traditionen miteinander verschmelzen. Bemerkenswert ist aber die Tatsache, dass sich Goethe gerade in den Jahren um 1800 des Narren Mephisto methodisch bewusst wurde, als er drei Prologe zum Faust konzipierte. Worter wie Scbalk, Narr und Narrbeit usw. werden erst in den um 1800 entstandenen Textpartien bewusst konstitutiv verwendet. Die 'Lustige Person' des "Vorspiels", die vom gleichen Darsteller wie Mephisto zu spielen ist, fordert, auch "der Mitwelt SpaB" zu machen, und behauptet, dass das Theater "nicht ohne Narrheit" sein solle. Wenn Mephisto im "Studierzimmer" I (auch um 1800 entstanden) sich selbst als einen Teil von jener Kraft definiert, die "stets das Bose will und stets das Gute schafft", da scheint er sich seiner Rolle als "Schalk" bewusst zu sein, den Menschen, diese "kleine Narrenwelt" zu reizen. Immerhin ist er die einzige Gestalt innerhalb der eigentlichen Faust-Tragodie, die da auftritt und sie zugleich transzendiert. Mephisto, der als Narr "durch alle Szenen lauft", ist auch im "Prolog im Himmel" mit dabei, bleibt allein und spricht ein letztes desillusionierend-ironisches Wort, das man sich ad spectatores gerichtet denken muss, -eine Geste, die er wahrend des ganzen Dramas noch so oft wiederholt. Wir werden damit an den Spielcharakter auch dieser Szene erinnert. Durch Mephistos narrenhaften Gesichtspunkt wird auch der "Himmel" zur "Welt des Theaters" gehoren, wie Gustaf Grundgens meint. Auch in der "Grablegung", die zusammen mit der Bergschluchten-Szene eine Art Epilog bildet, spielt Mephisto den Narren und schlieBt das ganze Drama ab. Da wird er mit seinen eigenen Waffen geschlagen : Uber der absurden Liebschaft zu den Engeln wird ihm Fausts Seele, "ein groBer, einziger Schatz", weggenommen, und er kann nur seine 'Torheit des Klugerfahrnen' fluchend verspotten. Ist ubrigens die Welt des Theaters, angefangen mit der Wette zwischen dem Herrn und Mephisto im Himmel, d.h. die eigentliche Faust-Tragodie, als Welttheater im Sinn von Calderon zu verstehen? Nein, die Comoedia divina ist nur ein "Struktur-Zitat" und eine paradoxe Einrichtung, versteht sich, um die Comoedia humana total zu entwickeln. In Anlehnung an das alte Modell des theatrum mundi wurde es Goethe paradoxerweise moglich, das ganz Aktuelle im Faust zu behandeln. In den ersten Szenen des 1. Aktes von Faust II, wo Mephisto am Kaiserhof die Rolle des Hofnarren ubernimmt und buchstablich als Narr erscheint, erweist sich der Narr als konstitutiv fur den ganzen Faust und dessen Komposition. Michail Bachtin sieht die Funktion des Narren "ausschlieBlich im VerauBerlichen" und meint, mit jenem prosaischen Sinnbild, das die Gestalt des Narren in die Literatur eingebracht habe, sei eine "besondere Komplexitat und Vielschichtigkeit" in den literarischen Text gekommen. Durch die Gegenwart des Narren Mephisto wird der hinter der Fassade verdeckte wahre Sachverhalt der hofischen Welt "verduBerlicht und veroffentlicht", was sich zunachst als Umkehrung von 'Weisheit' und 'Narrheit' auBert. Der vergnugungssuchtige, sorglose Kaiser, der das bevorstehende Karnevalsfest ungeduldig erwartet, hort dem Bericht im Staatsrat uber die Missstande des Reichs nur mit halbem Ohr zu und greift sofort zu, als Mephisto ihm einen Sanierungsplan anbietet. Die Schlussworte Mephistos, ad spectatores gerichtet, kundigen an, dass der 'Stein der Weisen', der Rat, den der Narr gab, in den Handen der echten Narren nur ein bloBer Stein bleiben wurde. Im "Mummenschanz" wird der Kaiser, als groBer Pan maskiert, von den gluhenden Goldkesseln fasziniert, die der Reichtumsgott Plutus herbeibrachte. Er schaut gierig in die Feuerquelle des GoldgefaBes, sein Maskenbart fallt, und er fangt Feuer, das die hofische Welt samt seiner ganzen Kaiserpracht zu verbrennen droht. Die Heiterkeit des hofischen Festes ist also nur Fassade, hinter der die schwerste Not des Reichs zum Vorschein kommt. Parallel zu dem langen Maskenzug, der ein sinnloses Spiel zu sein scheint, verlauft heimlich etwas Aktuelles : der Zerfall der alten, feudalen Welt im Zuge der 'neuen Okonomie', durch das Eindringen des modernen Geldwesens verkorpert. Und hier ist es wieder der Narr Mephisto, der dabei ist und diesen Prozess auslost. Vor den Prologen "Vorspiel auf dem Theater" und "Prolog im Himmel" ist noch einer platziert : "Zueignung". Dieser Prolog, in dem der Dichter in Bezug auf das zu vollendende Stuck selbst den imaginativen Schaffensprozess thematisiert, hat den Charakter einer Metafiktion, einer Dichtung uber die Dichtung. Indem die "Zueignung" vorausgeschickt wird, soll alles Folgende einschlieBlich des "Vorspiels" der Feder des 'schreibenden Narren' Goethe unterliegen, der stets die Perspektive wechselt und das Werk polydimensioniert. Wenn das genus sublime der Erzengel und das genus humile des Mephisto im "Prolog" die beiden Stilpole des Werkes bilden und dazwischen sich das Drama des unter dem Konflikt der zwei Seelen leidenden Faust abspielt, so hat Goethe das Stuck der fundamentalen Gespaltenheit des menschlichen Daseins entsprechend durchstrukturiert. Und in dieser Paradoxie der menschlichen Existenz besteht ein anderer wesentlicher Grund dafur, dass der Narr gefordert wird. Die "tragische Paradoxie, dass der Mensch nur durch den Teufel zu Gott gelangen kann", fordert den Narren. Daher kommt es, dass die Faust-Dichtung als "sebr ernste Scherze" bezeichnet wird. Die Feder des, schreibenden Narren', die mit dem Narren Mephisto durch alle Szenen gelaufen ist, kehrt das 'theatrum mundi' (Welttheater) in die 'Welt des Theaters' um und beschlieBt die ganze Faust-Dichtung, das "Vergangliche" und das "Ewige" ambigue vereinigend. Dies ermoglichte gerade die narrenhafte Perspektive des Werkes.
著者
平松 智久
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.142, pp.133-148, 2011-03-25

Das Thema dieser Untersuchung ist der Versuch einer Auflosung des "Hexen-Einmaleins" (V. 2540ff.) in Goethes Faust, um die Stellung der "Hexenkuche" im Zusammenhang des gesamten Werkes abzuschatzen. Zwar haben bisher schon viele Faust-Forscher das "Hexen-Einmaleins" zu entschlusseln versucht, um dessen Geheimnis und seine Bedeutung zu offenbaren, darunter J. Trump, H. Petzsch, K. Fischer, E. Schmidt, K. S. Levedahl, H. Arens, A. Schone und U. Gaier, es erscheint abet problematisch, dass sich fast alle diese Arbeiten nur auf die Erlauterung des "Hexen-Einmaleins" konzentrieren, und, was noch schlimmer ist, dass fast alle folgern, das "Hexen-Einmaleins" sei letztlich "Unsinn", so wie es Goethe selber manchmal behauptete (vgl. V. 2573; WA 43, 197). Der Grund, warum sich trotzdem viele Leute (freiwillig) damit herumqualen, ist eine intellektuelle Fingerubung oder, um Mephistopheles zu zitieren: "[…] ein vollkommner Widerspruch/Bleibt gleich geheimnisvoll fur Kluge wie fur Toren." (V. 2557f.) Es geht ihnen darum, die eigenen Ratsel des Lebens damit aufzuklaren. Aber um die wahre Bedeutung des "Hexen-Einmaleins" zu erkennen, musste man meiner Meinung nach die Szene grundlich untersuchen, in die der Text eingelassen ist und in der die Hexe, die mit ihnen Meerkatzen lebt, die Zauberworte "aus dem Buch" (vor V. 2540) fur Faust deklamiert. Die Atmosphare der "Hexenkuche" wird durch den Hexenspruch verdichtet und die Art und Weise der Gestaltung dieser Szene unter dem Einfluss des "Hexen-Einmaleins" ist zugleich der Schlussel zur Auflosung desselben. Die "Hexenkuche", die Goethe im Februar 1788 nach dem zweimaligen Besuch des romischen Karnevals schrieb, ist, nicht anders als dieser, eine auf den Kopf gestellte Welt, in der die Gegensatze sich ineinander verkehren und gleichzeitig eine Einheit bilden konnen: heilig und profan, klug und narrisch, neu und alt, hell und dunkel, hoch und niedrig, vor und nach, Traum und Wirklichkeit, Wahrheit und Luge usw. Auch das "Hexen-Einmaleins" wird von der Hexe "[d]ie hohe Kraft/[d]er Wissenschaft" (V. 2567f.) genannt, wahrend es Faust nur verhohnt. Aber Faust verjungt sich in der Tat in dieser Szene durch den Trank der Hexe und die Wirkung des Hexenspruchs. Damit ist ein Wendepunkt erreicht: von der "Gelehrten-Tragodie" zur "Gretchen-Tragodie", fur Faust von der metaphysischen Erfahrungswelt zur sinnlichen Erlebniswelt und vom "ersten Teil" zum "zweiten Teil" der Tragodie, weil Goethe die Szene schrieb, nachdem er die Struktur des ganzen Werkes nochmals durchdacht hatte (vgl. HA 11, 525). Die These des vorliegenden Aufsatzes ist, dass sich hinter dem "Hexen-Einmaleins" etwas versteckt halt, was man am ehesten als eine ins Gegenteil verkehrte Rechnung oder Darstellung der Welt auffassen kann: Wollte man den "Unsinn" als eine Storung der Beziehungen zwischen den Worten beschreiben, so lassen sich drei Gesetzmassigkeiten ausmachen: 1) zeitlich falsche Zusammenhange, 2) inhaltlich falsche Zusammenhange und 3) verneinende Verhaltnisse. Damit konnte man das "Hexen-Einmaleins" folgendermassen "ubersetzen": Aus Zehn mach' Eins, 10→1 Und Zwei mach' gleich, 1+2=3 Und Drei lass gehn, 3-3 So bist du nicht reich. =0 Mache die Vier! 0+4=4 Mit Funf und Sechs, 4+(5+6) So sagt kein' Hex', =15 Zieh' Sieben und Acht ab, 15-(7+8) So ist's nicht vollbracht: =0 Und Eins ist nicht Neun, 1≠9 Und keins ist nicht Zehn. 0≠10 Das ist kein Hexen-Einmaleins! Aber das Ziel dieser Arbeit ist nicht die Bestimmung dieses Textabschnitts als "Unsinn", sondern eine Interpretation des betreffenden "Unsinns" hinsichtlich des ganzen Werkes. Das "Hexen-Einmaleins" ist eigentlich ein Zauberspruch, der Faust vor dem Tod durch den Verjungungstrank schutzen soll. Der Wissenschaftler, der die Welt vermittels Worten vergebens erforschte, kann die Negativitat dieser seiner Welt nicht mehr ertragen, so dass er den Giftbecher an den Mund setzt (nach V. 736) und eine Wette mit dem Teufel Mephistopheles abschliesst. Aber gerade weil er hier an "Irrtum statt Wahrheit" (V. 2562) glaubt, kann das Leben von Faust eine ganz entgegengesetzte Richtung nehmen! Der "Unsinn" wird deswegen ohne Worte sinnvoll und bedeutungsvoll in dieser auf dem Kopf stehenden Welt, eben weil er ganz und gar "Unsinn" ist. Goethe nannte in seinem letzten Brief an W. von Humboldt den Faust "sehr ernste Scherze" (WA 49,283). Der alte Naturforscher wollte sein Gedicht als eine Art von Natur betrachtet wissen, in der das Gesetz von Polaritat und Steigerung lebendig Wirkungen erzeugt. Denn nicht nur in der Natur selbst, sondern auch im Kunstwerk sollte sich eine solche Lebendigkeit entfalten. Vor diesem Hintergrund kann man die Worte des "Hexen-Einmaleins" als den Ausdruck Goethescher Naturauffassung in seiner Dichtung betrachten.
著者
川島 隆
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.148, pp.105-119, 2014-03-25

Nach der Dreifachkatastrophe in Japan im Marz 2011 herrschte vor allem unter den Japanologen und Japankennern in Deutschland Emporung uber die "Panik" und "Hysterie" auslosende Berichterstattung der deutschen Massenmedien, die sich grosstenteils auf die Atomunfalle in Fukushima und die Verbreitung der radioaktiven Strahlung konzentrierte und die Not der vom Erdbeben und Tsunami Betroffenen (vermeintlich) wenig beachtete. Auch das Bild der Japaner in den Medien, die angesichts der fatalen Katastrophe uberraschenderweise eine fast unheimliche "Rube" und "Gelassenheit" gezeigt und damit sich erneut als ein Volk der "Disziplin" und "Gehorsamkeit" erwiesen hatten, wurde als stereotype Vorstellung heftig kritisiert. Als Ausdruck dieser Unzufriedenheit mit den medial vemlittelten Erfahrungen der Katastrophe entstanden dann eine Reihe von Reportagen und Reiseberichten, die das "entstellte" Japanbild korrigieren sollten, indem sie die "authentischen" Erfahrungen von Autoren, die zur Zeit der Katastrophe (oder kurz danach) in Japan gewesen waren, zur Geltung brachten. Insofern waren diese Werke als Versuche, die unterreprasentierten Opfer der Katastrophe als Subalteme im Sinne Spivaks zu rehabilitieren und zum Wort kommen zu lassen, zu bezeichnen. Diese Versuche verliefen aber keineswegs unproblematisch, denn die Reportage als literarisches Genre ist-trotz ihres "realitatsnahen" Charakters-auch eine Form der medialen Reprasentation, bei der das Erzahlte entscheidend durch die jeweilige Perspektive des Erzahlers gepragt wird. Die Reportagen uber Japan im Schatten von "Fukushima" zeigten ohnehin im Grossen und Ganzen eine merkwurdig apologetische Tendenz: Staff nuchtern und sachlich mit dem Thema umzugehen, neigten die Japan-Experten eher dazu, die "Ruhe" und das "disziplinierte" Verhalten der Japaner samt der beruhigenden Informationspolitik der japanischen Regierung und des AKW-Betreibers Tepco und die unkritische Berichterstattung der japanischen Massenmedien unbedingt in Schutz zu nehmen, insofern man die Japaner zu einem einheitlichen, heroisch-duldsamen Volk stilisierte-wobei das klischeehafte Vorurteil uber Japan und die Japaner nicht zuruckgewiesen, sondern positiv umgedeutet und sogar verstarkt wurde.
著者
山崎 太郎
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.138, pp.9-26, 2009-03-25

Sowohl <Der Freischutz> als auch <Die Meistersinger von Nurnberg> hat man seit jeher fur den Inbegriff der deutschen Nationaloper gehalten und miteinander verglichen. Aber wahrend die nationalistischen Elemente der beiden Opern immer wieder hervorgehoben und im Zusammenhang mit der Problematik der Rezeptionsgeschichte diskutiert wurden, sind die textlichen sowie musikalischen Inhalte bislang kaum zum Gegenstand einer vergleichenden Analyse gemacht worden. Das ist eher verwunderlich, denn die Gemeinsamkeit der beiden Stucke fallt sofort auf, wenn man nur die Handlungen miteinander vergleicht.: So findet in beiden Stucken 1. der Handlungsverlauf innerhalb von 24 Stunden statt (1. Aufzug: Nachmittag/fruher Abend, 2. Aufzug: Nacht, 3. Aufzug: nachster Morgen). 2. In beiden Stucken muss der Held einerseits, nach dem Gesetz der Gesellschaft, in 'technischer' Hinsicht seine Meisterschaft beweisen (z.B. durch einen Probeschuss oder einen Wettgesang), um die Geliebte zu heiraten. 3. Es wird abet andererseits dieses Gesetz von einem geehrten Weisen als veraltet und unmenschlich kritisiert. Der Grund, warum diese Parallelitat eher ubersehen worden ist, findet sich vermutlich in der Tatsache, dass im <Freischutz> die Geistererscheinung in der Wolfsschluchtszene den wesentlichen Teil der Handlung ausmacht, wahrend im komodienhaften sowie realistischen Ambiente der <Meistersinger> solche ubernaturlichen Elemente nur schwer vorstellbar sind. Dieser Aufsatz zielt darauf, in der letzten Halfte des zweiten Aufzugs der <Meistersinger>, die vom dramatischen Aufbau her der Wolfsschluchtszene entspricht, zuerst die geisterhaften Elemente zu suchen, um sie auf das Menschliche zuruckzufuhren, d.h., um sie als Projektion eines Gemutszustands zu deuten; im Inneren eines Menschen haust eigentlich der Damon, der die ausserliche Turbulenz in der nachtlichen Gasse verursacht, die innerhalb einer nachtlichen Stunde (von 22 bis 23 Uhr) geschieht, genau wie die Spukerei in der Wolfsschluchtsszene (von 24 bis 1 Uhr). Betont wird das Geisterhafte im zweiten Aufzug der <Meistersinger> textlich durch Worter wie "Gespenster und Spuk", "bose Geister", "Kobold", sowie durch die Situation selbst; es handelt sich hier doch um den Polterabend genauso wie im <Freischutz> und uberdies um die Johannisnacht (d.i. die "Midsummernight" Shakespeares) mit all den Streichen, die ubernaturliche Wesen in dieser Nacht spielen. Sogar die Stadt Nurnberg gleicht in dieser nachtlichen Stunde dem Wald im <Freischutz>, mit den Tannenwipfeln nachgestalteten Giebeldachern, die den Vollmond von der schmalen Gasse abhalten und somit eine Dunkelheit erzeugen, die der mondfinsteren Nacht in der Wolfsschlucht entspricht. In den <Meistersingern> wird jedoch das Geisterhafte auch von einem Menschen manipuliert wie das Benehmen des Protagonisten Hans Sachs zeigt, der das Licht auf seinem Werktisch plotzlich ausloscht, um so eine vollige Finsternis gerade in dem Augenblick zu schaffen, als die Bewohner aus ihren Hausern in die Gasse stromen. Der damonische Eindruck dieses eigentlichen Drahtziehers der Handlung wird durch ein musikalisches Motiv, das sogenannte "Schustermotiv", verstarkt, das "melodisch in seinen Eckpunkten durch ein stachliges Tritonus-Intervall gekennzeichnet wird" (Kurt Overhoff), also durch den "Teufel in der Musik". Dieses Motiv mit seiner derben und dunklen Tonfarbe schildert nicht nur "den sauren Schweiss harter Muhe und Plage" (ebd.), sondern weist mit seinen besonders im 2. Aufzug vielfaltigen Verwendungen wohl darauf hin, wer eigentlich hinter dem ganzen Geschehen steckt. Dieser Hans Sachs namlich, der alles in der Hand zu haben scheint, ist jedoch von einer unbekannten Macht getrieben, wie er selbst am nachsten Morgen sagt: "Ein Mann weiss sich nicht Rat; ein Schuster in seinem Laden, zieht an des Wahnes Faden; wie bald auf Gassen und Strassen fangt der da an zu rasen." Sachs ist also ein vom Wahn Gefangener, der aber am Ende seines Monologs der ausseren Natur die Schuld zuschiebt: "Der Flieder war's." Ist das bloss eine rhetorische Ausrede? Nein. Denn gerade der zauberhafte Duft des Flieders war es, der im zweiten Aufzug seine Erinnerung an die gewaltige Kunst Walthers und somit in seinem Herzen "die susse Not" (d.h. den Eros, den Schopfungstrieb und zugleich die Liebe zu einem Madchen) erweckt hat. In seine Empfindung mischt sich dabei aber die bittere Erkenntnis, dass er in der Kunst sowie in der Liebe dem genialen Jungen unterlegen sei; wer "wahnbetort" versuche, ihm nachzusingen, "dem bracht' es Spott und Schmach." Seine Ahnung bestatigt sich, als Eva ihn zornig verlasst, da er uber Walther schlecht geredet hat. Dass das dem jungen Ritter geneigte Madchen trotzdem zuvor Sachs aufgehetzt hat, am Wettsingen um ihretwillen teilzunehmen, ist weder blosse Koketterie noch Kalkul, um das schlechteste Ergebnis, d.i. die Heirat mit Beckmesser, zu vermeiden, sondern ist als der Ausdruck ihres Herzens zu verstehen, das zerrissen ist zwischen dem vaterlichen teuren Freund und dem jungen Mann, der plotzlich vor ihr erschien und sie unwiderstehlich gebannt hat, wie sie im dritten Aufzug Sachs gegenuber bekennt: "Hatte ich die Wahl, nur dich erwahlt' ich mir:… doch nun hat's mich gewahlt zu nie gekannter Qual… Euch selbst, mein Meister, wurde bang'." Seine von ihm selber nicht kontrollierbare Haltung in der letzten Halfte des zweiten Aufzugs, die am Ende zu Verwirrungen fuhrt, war also der Ausdruck sowohl seiner von Evas Angst angesteckten Empfindung als auch seiner inneren Natur, die umso starker widerstand und sich Luft zu machen versuchte, als es ihm galt, "des Herzens suss Beschwer zu bezwingen." "Das Schusterlied" ist Ausdruck eines solchen Ventils. Indem Sachs nach der biblischen Episode der Verbannung von Eva und Adam aus dem Paradies satirisch den Vorwurf gegen sein Evchen macht, vernimmt man leise im Orchester jenes Entsagungs-(bzw. Wahn-) Motiv, dessen "schwermutig sinnender" (so Thomas Mann) Klang den verborgenen Sinn des Liedes andeutet, namlich das verlorene Paradies; die idyllische Zeit sei schon voruber, in der Sachs und Eva, weder durch das Problem der wirklichen Heirat, noch durch das Erscheinen einer dritten Person gestort, gemeinsam im harmonischen Einklang gelebt haben. Am Ende der zweiten Strophe dieses Liedes donnert Sachs los: "War' ich nicht fein Engel rein, Teufel mochte Schuster sein!" Die danach stattfindende Prugelei sieht gerade wie der Streich eines solchen Teufels aus, der aber in der Tat als Projektion des tobenden Innenlebens von Sachs anzusehen ist. Er nimmt doch am nachsten Morgen wieder seinen engelhaften Zug an, als er sich entschliesst, den Wahn fein zu lenken. Wie sich das Damonische nach der beruhmten Aussage Goethes ("nicht teuflisch, denn es war wohltatig, nicht englisch, denn es liess oft Schadenfreude merken") nur in Widerspruchen manifestiert, wirkt der Wahn fur Sachs, den Lenker der damonischen Kraft des Wahnes, nicht nur negativ, sondern auch positiv, namlich als schopferische Energie (ein "Wesen, das zwischen alle ubrigen hineinzutreten, sie zu sondern, sie zu verbinden schien"). Diese schopferische Energie beweist er dadurch, dass er Walther lehrt, aus seinem Traum, "des Menschen wahrstem Wahn", ein Meisterlied zu erschaffen. Gerade weil er diese Ambivalenz des Damonischen bemerkt hat, ruft er in seiner Schlussrede dem Volk zu: "Ehrt eure deutschen Meister, dann bannt ihr gute Geister." Dieser Satz bedeutet namlich, dass man jetzt im Licht des Tages die gute schopferische Seite des Damons anlocken muss, in dieser Stadt Nurnberg, wo in der vergangenen Mitternacht die zerstorerische Kraft, also die boshafte Seite des Damons, getobt hat. Diesem Wunsch von Sachs/Wagner kommt jedoch eine ironische Bedeutung zu, wenn man den Lauf der deutschen Geschichte im Auge behalt: Auf das Volk in Nurnberg im 16. Jahrhundert wartet in der Zukunft der verheerende dreissigjahrige Krieg; wahrend fur Wagners Zeitgenossen mit der Grundung des Deutschen Reiches 1871, also drei Jahre nach der Urauffuhrung der Oper, Deutschlands "Sonderweg" begann, der bis zur Katastrophe des Nationalsozialismus fuhren sollte.
著者
植 朗子
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.148, pp.296-306, 2014-03-25

In diesem Aufsatz versuche ich, die Symbolik der Baume in den "Deutschen Sagen" zu erklaren. Von der Antike an gab es eine enge Beziehung zwischen Mensch und Baum. Der Baum diente als Symbol fur Seelenwanderung und Verwandlung, um ihn ranken sich zahlreiche Sagen, Mythen und Marchen. Die Deutschen Sagen der Gebruder Grimm bestehen aus zwei Teilen. Im ersten Band (1816) befinden sich Sagen zu bestimmten Orten. Der zweite (1818) enthalt historische Sagen. Die Sage will Wirklichkeit vermitteln, ihre Stoffe beziehen sich auf tatsachliche Geschehnisse. Zu ihnen gehort die Annahme, dass sie bestimmte Ereignisse und Begebenheiten widerspiegeln. Der Inhalt einer Sage selbst ist jedoch manchmal nur unvollstandig und muss im Zusammenhang mit dem Gesamtkonzept der Deutschen Sagen gelesen werden. Auch die handschriftlichen Notizen Jacob Grimms weisen auf die Bedeutung einzelner Motive hin. Dadurch kann man zu einem besseren Verstandnis der Sagen gelangen. Was fur eine Bedeutung erkannten die Bruder Grimm nun im Motiv der Baume? Dieses Motiv basiert auf Ansichten des Heidentums, es ist Ausdruck fur Unsterblichkeit und Wachstum. Das Reisig wird als Symbol des Kosmos gesehen. So gibt es zum Beispiel die Erzahlung "Ursprung der Sachsen" (DS408) in den historischen Sagen, wo erzahlt wird, dass die Menschen aus den Baumen kamen. Auch die Deutsche Mythologie. von Jacob Grimm liefert zusatzliches Material, beispielsweise den Baum des Lebens oder Weltbaum (Yggdrasil) und den heiligen Hain. Der Baum als Motiv findet sich oft in der Nahe von Brunnen, well Brunnen und Quellen in der Mythologie in Zusammenhang mit dem Reich der Toten gesetzt waren und die Seele des Lebens beinhalteten. Vor noch alterem mythischem Hintergrund assoziierte der Volksglaube das Element Wasser auch mit dem Motiv der Metamorphose. Die Seelenwanderung ist die Vorstellung, dass alles Lebendige sich in einem Kreislauf befindet. Das aus einem Baum geborene Magdelein erscheint in neuer Gestalt wieder. Dies bedeutet keine Auferstehung, sondern eine Verwandlung. Wir konnen keine Gewissheit daruber haben, woher eine Seele kommen wird, denn die Geburt eines Lebens ist etwas Mystisches.
著者
井出 万秀
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.140, pp.92-109, 2010-03-25

Das Kommunikationsziel pragt bekanntlich die sprachlichen Formulierungen, wie ein appelierender Text anders gestaltet wird als ein unterhaltender. Anhand des Fruhneuhochdeutschen versuche ich in meinem Beitrag, textsortenmassiger Spezifik des Nominalisierungsstils des Deutschen sprachhistorisch nachzugehen. Gemessen am Grad der Satzaquivalenz einer Nominalgruppe, inwieweit Satzglieder wie Subjekt, Objekt, Pradikat, Richtungsangaben u.a. in einer Nominalgruppe enthalten sind, lasst sich zwischen unterhaltenden und sachlich vermittelnden Texten kein gravierender Unterschied feststellen, da die Muster der Satzaquivalenz "Subjekt+Pradikat" (Die Heyden die wurden der Gast zukunfft gewar) als auch "Objekt+Pradikat" (die beschreibung diser kranckhait) in beiden Textsorten haufig vorkommen, wahrend-anders als im modernen Deutsch-komplexere Muster wie "Subjekt+Richtungsangaben+Pradikat" (durch seinen Hoffart und Abfall von Gott) sowie "Objekt+Richtungsangaben+Pradikat" (auch dabey die schaidung des Ertz vom Silber vnnd Gold zubringen) nur selten, "Subjekt+Objekt+Richtungsangaben+Pradikat" (an […] der Taufe des bis dato grossten Passagierschiffs der Welt auf den Namen <<Bismarck>> durch den deutschen Kaiser) dagegen uberhaupt nicht zu finden sind. Zur Beantwortung der Fragen, welche morphologische Form des Kernsubstantivs der Nominalgruppe tendenziell uberwiegt, wo sich die vom Kernsubstantiv abhangigen Glieder befinden (vor oder nach dem Kernsubstantiv), welche Form sie annehmen (Possessivum oder Substantiv im Genitiv bzw. in Prapositionalphrase), ob die Position der abhangigen Glieder mit deren Form gewisse Korrelation aufweist usw., bedarf man zwar noch einer weiteren, quantitativen Untersuchung, aber es scheinen mir in den sachlich vermittelnden Texten tendenziell eine zunehmende Beteiligung der Prapositionalphrase an der Gestaltung der Nominalgruppe (ain warnung an die Mercurialische artzet) und die isomorphe, nominale Wiederaufnahme der verbalen Pradikation (DEn toden Mercuri lebendig zumachen/auff das er durch disen ausssgang gebracht werd/merckent seine lebendig machung also) ausgepragt zu sein. Handlungen und Sachverhalte, die einmal im Text erwahnt wurden, werden nominal kompakt fur den weiteren Textverlauf verfugbar gemacht, wobei das attributive Partizip in der Nominalgruppe nicht die Eigenschaft des Bezugsnomens modifiziert, sondern eine Handlung bezeichnet, die den im Bezugsnomen genannten Gegenstand betrifft (Darnach mach die zwey zuosamen gesetzten teyl der fuenfeck/wie for). Vermutlich ermoglicht es das kommunikative Gebot in den sachlich vermittelnden Texten, das bereits Erwahnte gezielt in Form einer Nominalgruppe wortlich scharf umrissen zu formulieren.
著者
西出 佳代
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.140, pp.127-142, 2010-03-25

Mehrere westgermanische Sprachen und Dialekte, die Verbzweitstellung haben bzw. im CP-Head komplementare Distribution zwischen dem Complementizer und dem finiten Verb aufweisen, haben eine weltweit seltene Eigenschaft: das Complementizer Agreement. Luxemburgisch (lux.) ist ein Beispiel fur diese Sprachen. Wenn hier ein Nebensatz das Subjekt in der 2. Sg. hat, tragt der Complementizer "datt" (dt. <dass>___-) die Endung "s" (dt. <-st>___-), die mit dem finiten Verb in Person und Numerus kongruiert. (1) (lux.) Ech si frou, datt s__- de fonnt hues__-, wat un denger Maschinn futti war. Ich bin froh, dass 2. SG. du gefunden hast, was an deiner Maschine <kaputt>___-war. Saint-Exupery (2004^5: 84) Wie die meisten Sprachen, in denen der Complementizer konjugiert, hat der Complementizer im Luxemburgischen ein defektives Paradigma im Vergleich mit dem der finiten Verben. Wahrend die finiten Verben in allen Personen und Numeri eigene Endungen haben, kennt der Complementizer nur die Endung "s" fur die 2. Sg. Um plausible Erklarungen fur diese Defektivitat zu geben, bieten sich zwei Gesichtspunkte an: morphologisch und phonologisch. In morphologischer Hinsicht bietet eine Generalisation von Hoekstra/Smits (1997) einen wichtigen Hinweis. Diese Generalisation (ndl. 'agreement-in-o.t.t.=agreement-in-o.v.t.'-generalisatie) wird von der Tatsache abgeleitet, dass das Complementizer Agreement kein Agreement in den Tempora hat. Deswegen kann der Complementizer nur die Endungen fur Personen und Numeri tragen, die im Prasens und im Prateritum identische Formen haben. Die diese Generalisation erfullenden Endungen im Luxernburgischen sind "s" (dt. <-st>___-) in der 2. Sg. sowie "en" (dt. <-en>___-) in der 1. Pl. und 3. Pl. Beispiele aus der alteren Literatur (Bruch 1973: 87) belegen, dass Endung "en" auch in der 1./3. Pl. erscheinen kann. Heutzutage sind diese Formen aufgrund phonologischer Ursachen jedoch selten, aber nicht ausgestorben. Luxemburgisch hat in erster Linie die phonologische Regel "n-Tilgung", wobei das auslautende "-n" getilgt wird, wenn nicht ein Vokal oder die Konsonanten [h], [t], [d], [ts] (,[dz]) folgen. Somit ist es haufig der Fall, dass das auslautende "-n" von der Endung "-en" [en] nicht ausgesprochen wird. Daneben fallt auch das Schwa wegen der generellen Neigung der Apokope im Luxemburgischen leicht ab, das nach der "n-Tilgung" bestehen bleibt. Folglich kommen die phonologischen Situationen haufig vor, in denen die Endung "en" nicht ausgesprochen wird. Eben diese Tatsache kann den Abfall der Endung "en" im Paradigma des Complementizers verursachen. Die einzige Endung, "s", des Complementizers im Luxemburgischen kann daher morphologisch und phonologisch konsequent verstanden werden. Fur den Complementizer Agreement-Mechanismus stellt das Luxemburgische ein wichtiges Beispiel dar. Zunachst einmal kann das Complementizer Agreement Eigenschaften erklaren, die mit einer normalen syntaktischen Analyse nicht erklart werden konnen. Das Westfriesische (wfr.) zeigt z.B. das Phanomen "first-conjunct agreement" (Ackema/Neeleman 2004: 248): (2) (wfr.) Ik tink datst do en Marie dit wykein yn Rome west ha. I think that-2. Sg. you and Mary this weekend in Rome been have. Ackema/Neelman (2004: 248) Beim Complementizer Agreement spielt die Nachbarschaft zwischen dem Complementizer und dem Subjekt eine grosse Rolle. Eine daraus abgeleitete Analyse ist die "PF feature checking" von Ackema/Neeleman (2004). Sie nehmen zuerst an, dass es zwei Typen vom Agreement gibt, die auf der syntaktischen Ebene und auf der phonologischen Ebene geleistet werden. Sie behaupten weiterhin, dass das Complementizer Agreement auf der fur die Nachbarschaft sensitiven, phonologischen Ebene, wahrend das Agreement von den finiten Verben auf der syntaktischen Ebene geleistet wird. Das Agreement auf der phonologischen Ebene wird nach Ackema/Neeleman (2004) in der "prosodic phrase" (φphrase; Align (<right edge, XP>, <right edge, φ>) (Ackema/Neeleman 2004:186)) gultig. Das "first-conjunct agreement" ist daher so zu verstehen, dass die "φphrase" mit dem ersten nebengeordneten Subjekt geschlossen wird und deswegen die Merkmale 'Person' und 'Numerus' des Complementizers nur fur diese ersten uberpruft werden. Eine andere Analyse, die aus der Nachbarschaft zwischen dem Complementizer und dem Subjekt abgeleitet wird, ist die "(ndl.) syntactische incorporatie" des Subjekts in den CP-Head (De Haan 1997). Diese Analyse ist jedoch fur das Luxemburgische nicht gultig, wo zwischen Complementizer und Subjekt eine Fokuspartikel eingesetzt werden kann: (3) (lux.) Et ass ongleeflech, datt s souguer du sou eppes gemacht hues. Solche Fokuspartikeln verhindern die "syntactische incorporatie", aber sie fungieren nicht als "φphrase closure". Deshalb konnen die grammatischen Merkmale des Complementizers mit dem Subjekt in der gleichen "φphrase" abgeglichen werden. Das luxemburgische Beispiel mit der Fokuspartikel illustriert die Gultigkeit der Analyse "PF feature checking" fur das Complementizer Agreement. Ausserdem spielt dabei der Abfall des Schwa von der Endung in 1./3. Pl. des Complementizers "-en" nach der "n-Tilgung" eine grosse Rolle. Das scheinbar auslautende Schwa im Luxemburgischen fallt prinzipiell nicht ab, wenn das in einer tiefen Ebene, d.h. in der lexikalischen oder syntaktischen Ebene, mit dem folgenden "-n" keinen Auslaut bildet (lux. de Papp<den Papp: dt. der/den Vater, akafe goen<akafen goen: dt. einkaufen gehen, lux. en Zeeche setzen<en Zeechen setzen: dt. ein Zeichen setzen). Die Tatsache, dass das Schwa der Endung des Complementizers trotzdem abfallt, zeigt, dass diese Kongruenz auf einer oberflachlichen, phonologischen Ebene stattfindet. Im vorliegenden Artikel habe ich dem defektiven Paradigma des luxemburgischen Complementizers Erklarungen gegeben und gezeigt, dass das Einfugen einer Fokuspartikel in dieser Sprache in der Analyse des Mechanismusses des Complementizer Agreements in westgermanischen Sprachen und Dialekten eine entscheidende Rolle spielt. Weitere Beschreibungen und Analysen der luxemburgischen Sprache versprechen daruber hinaus neue und entscheidende Impulse fur die Erforschung der germanischen Sprachen.
著者
神尾 達之
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.130, pp.15-29, 2006-10-30

Der privilegierte Status des Beobachters, der im "klassischen Zeitalter" (M. Foucault) einen transzendentalen Blick ermoglicht hatte, verier im Verlauf der ersten Halfte des 19. Jahrhunderts an Stabilitat. Zur geradezu klassischen Voraussetzung "Vernunft" hieβ es beispielsweise in Lavaters "Von der Physiognomik": "Sagt uns die Vernunft nicht, daβ jedes Ding in der Welt eine auβere und innere Seite habe, welche in einer genauen Beziehung gegen einander stehen?". Der Physiognomik Lavaters lag also gleichsam die Intuition durch die Vernunft zugrunde. Er gab auch die Bedingungen fur die physiognomische Kompetenz an. Der "Beobachtungsgeist" musse namlich Herr uber den zu beobachtenden Gegenstand sein. Die Objektivitat dieser physiognomischen Beobachtung war, so koennte man sagen, dadurch garantiert, daβ sich das Objekt seines Beobachtetseins nicht bewuβt war. Von daher empfahl Lavater, daβ der Physiognomiker die Gesichter im Profil "beobachte"; so wirken silhouettierte oder gezeichnete Gesichter als Beobachtungsobjekte noch gunstiger. Um die ideale Beobachtungsposition einzunehmen, ging Lavater "in die Einsamkeit", d.h. in seine groβe Kollektion; er soll mehr als 20,000 Bildnisse gesammelt haben. Die Lavatersche Physiognomik war ein Traum, den die "Vernunft" in einer riesigen Datenbank traumte. Rousseau, ein Schweizerischer Zeitgenosse Lavaters, liebte auch die Einsamkeit, aber nicht umgeben von Bildnissen, sondern von Pflanzen. Er hat seine letzten Jahre in und bei Paris gelebt und zu dieser Zeit autobiographische Werke wie "Les Confessions", "Dialogues de Rousseau juge de Jean-Jacques", "Les Reveries du promeneur solitaire" geschrieben. In diesen Werken observiert er sich selbst rucksichtslos und beklagt sich zugleich im Verfolgungswahn daruber, daβ ihn andere standig beobachten. Die einseitige Beobachterposition, die ihm der botanischen Welt gegenuber bisher moglich war, laβt sich in Paris nicht realisieren und wird unterminiert. Hier muβ der Beobachter selber auch der zu beobachtende Gegenstand sein. Der Autor fuhlt sich von "l'ordre des choses" gerissen; er kann sich in Paris nicht mehr autonom orientieren. In E.T.A. Hoffmanns Erzahlung "Des Vetters Eckfenster" scheint die Beobachterposition vorerst stabil. Und der behinderte Protagonist scheint ungestort vom Blick der anderen zu sein, denn er ist in sein Zimmer, das eine camera obscura darstellt, zuruckgezogen. Aber er begnugt sich nicht mit bloβer Beobachtung von oben her. Er liest typisierend an dem auβeren Eindruck, den er von einzelnen Menschen hat, willkurlich je eine Geschichte ab. D.h. er beobachtet nicht, sondern erfindet. Daruber hinaus erwahnt der Text, obwohl marginal, daβ die Hauptfigur schon von An fang an beobachtet wurde. Dies steht symptomatisch fur die Umpositionierung des Beobachters. Der Beobachter wurde J. Crary zufolge um 1820 und 1830 in ein unmarkiertes Feld versetzt, auf dem die Unterscheidung zwischen Innen und Auβen unwiderruflich verwischt ist. Ganz anders als in Berlin kann der Beobachter in Wien noch immer an seiner stabilen Stellung festhalten. In Grillparzers "Der arme Spielmann" tritt der Protagonist als Fuβganger auf. Er kann souveran die Bewegung der Donau und der Masse uberblicken und aus auβerlichen Informationen die "Biographien der unberuhmten Menschen" zusammenlesen. Diese physiognomische Fahigkeit ermoglicht es ihm, die Vergangenheit des armen Spielmanns aufzudecken. Am Ende der Erzahlung gelingt es ihm auch, an den Tranen einer Frau ihre Beziehung zu dem Spielmann abzulesen. Dieser Flexibilitat des Beobachters entspricht die Popularisierung von Lavaters Physiognomik. An fang des 19. Jahrhunderts erschienen, angeregt durch die Zuwanderung in die Groβstadte, mannigfaltige verkurzte Versionen seiner umfangreichen "Physiognomischen Fragmente zur Beforderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe", wie "le Lavater portatif" u.a. Die Mobilitat der Beobachtung garantiert aber nicht das Gelingen der Physiognomik. "The Man of the Crowd" von Poe problematisiert schon die physiognomische Lesbarkeit in den Groβstadten. Diese von dem Satz "er lasst sich nicht lesen" umrahmte Erzahlung beginnt mit einer klassifizierenden Beobachtung aus dem Innenraum eines Cafes. Die Hauptfigur, der ein alter Mann plotzlich auffallt, entschlieβt sich, ihn zu verfolgen. Die Verfolgung fuhrt den Beobachter in ein Stadtviertel, dessen Pflastersteine "at random, displaced" im wuchernden Gras liegen. Dieser Raum gehort nicht mehr zu den "klaren Raumen, in denen die Dinge nebeneinandertreten" (M. Foucault). Der Raum, den die Lavatersche Physiognomik voraussetzte, ist nicht mehr gultig. Am Ende verzichtet der Beobachter auf die geheime Verfolgung und blickt dem Mann direkt ins Gesicht. Aber der beobachtete Mann bemerkt ihn nicht. Das mobile Beobachten scheitert. Baudelaire, der Poes Erzahlung ins Franzosische ubersetzt hat, multipliziert in seinem Gedicht "Les sept Vieillards" den unheimlichen Alten in der Menge. Baudelaire laβt den erschopften Verfolger den gleichen Greis halluzinatorisch siebenfach sehen. Endlich zuhause, aber orientierungslos, tanze der Verfolger "sur une mer monstrueuse et sans bords". Seine "raison" kann nicht mehr das Steuer fuhren. Der Verlust der objektiven Beobachterposition, welche die physiognomische "Vernunft" seit Lavater voraussetzte, wird durch die Geburt einer modernen Asthetik kompensiert.
著者
森澤 万里子
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.136, pp.85-99, 2008-03-25

Der Einfluss der im 16. Jahrhundert allgemein verbreiteten Buchdruckerkunst auf die Entstehung der deutschen Schriftsprache ist im Grossen und Ganzen von den Sprachhistorikern anerkannt, und auch in den Medienwissenschaften haben diese Zusammenhange Erwahnung gefunden. Die Erforschung dieser Einflusse im Einzelnen ist hingegen langst nicht abgeschlossen, so zum Beispiel die Untersuchung des Verlaufs des Sprachausgleichs innerhalb eines Druckorts, der parallel mit dem Ausgleich der regionalen Sprachen erfolgte. In diesem Zusammenhang versucht die vorliegende Arbeit zu ermitteln, von welchen Anhaltspunkten man bei der Betrachtung der Beziehung zwischen dem Sprachgebrauch in Druckschriften und dem von Stadtbewohnern aus dem 16. Jahrhundert ausgehen muss, wenn man mediengeschichtliche Faktoren in Betracht zieht: Adressanten und Adressaten der durch das neue Medium vermittelten Informationen, Druckerei, Drucker sowie gedruckte Texte. Dabei soll als ein Beispiel einer der bedeutendsten Druckorte im 16. Jahrhundert, Nurnberg, herangezogen werden. Spricht man uber die Buchdruckerkunst in der deutschen Sprachgeschichte, kommt die Rede freilich auch auf die Reformation, zweifellos das wichtigste Ereignis im 16. Jahrhundert. Der Rat der Stadt Nurnberg fuhrte die Reformation relativ fruh ein. Ein Jahr nach der Veroffentlichung der "95 Thesen" kam Luther in Nurnberg vorbei, und damals sprachen viele Ratsherren fur ihn. Daher warden viele Schriften fur die neue Lehre in Nurnberg gedruckt. Ihre Autoren sind nicht nur Geistliche wie der Prediger der Pfarrkirche Andreas Osiander, sondern auch Personen verschiedener Stande, z. B. der Ratsschreiber Lazarus Spengler und der Handwerker Hans Sachs. Seit 1517 nahm die Anzahl von Druckschriften in deutscher Sprache sprunghaft zu, nicht zuletzt die von Flugschriften und Flugblattern. Wenn der Buchdruck allerdings nur zur schnellen und zahlreichen Wiederherstellung des Althergebrachten beigetragen hatte, konnte er, wie in Schmidt (1993) erwahnt, nicht als neues Medium angesehen werden. Einerseits konnten die Empfanger schneller auf die durch den Buchdruck verbreiteten Informationen reagieren, andererseits konnten die Absender nach deren Reaktion weitere Informationen in Umlauf setzen, das heisst, das neue Medium ermoglichte eine schnelle Ruckkopplung und damit einen neuen Autoren-Leserbezug. Diese Eigenschaft des Buchdrucks kam vor allem den Flugschriften und Flugblattern zugute. Die Schriften der oben genannten drei Nurnberger wurden auch zum Teil in der Form von Flugschriften in die Welt geschickt. Uber die Anzahl von Adressaten der auf diese neue Weise vermittelten Informationen beziehe ich mich auf die Schatzung von Endres (1984). Danach konnten im Nurnberg vor und nach der Reformation mehr als 10 Prozent der Stadtbewohner lesen und schreiben. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass es damals neben den ublichen Lateinschulen auch eine nicht kleine Anzahl von "deutschen Schulen" gab. Im Allgemeinen wurde in den ersteren darauf gezielt, Eliten auszubilden. Die deutschen Schulen hingegen wurden fur die Bedurfnisse von Kaufleuten und Handwerkern errichtet. Dort hatten sogar Madchen die Moglichkeit, sich zu bilden. Dies zeigt, dass das Lesen nicht mehr nur einer kleinen Elite vorbehalten war. Die Drucker versuchten den besten Weg zu finden, um die Kauflust der Leser anzureizen. Die Buchdruckerkunst wurde 1470 nach Nurnberg gebracht. Kurz danach begrundete der erfolgreichste Nurnberger Drucker, Anton Koberger, seine Druckerei. Sein Erfolg ist seinem scharfen Sinn fur die Reaktion von Kaufern zuzuschreiben. Zum Beispiel liesser den Buchern sofort Holzschnitte hinzufugen, als er merkte, dass solche Bucher besseren Absatz fanden. Die nachste Generation nach Koberger druckte in der Reformationszeit viele religiose Schriften, die bei zahlreichen Leuten verschiedener sozialer Schichten auf starkes Interesse stiessen. Auch nach dem Augsburger Religions-frieden (1555) wurden religiose Schriften veroffentlicht. Allerdings ubte der Nurnberger Rat strenge Zensur bei gedruckten Schriften, die den Frieden storen konnten. In dieser Situation brachte einer der Nurnberger Drucker, Leonhard Heussler, verschiedene Sorten von Schriften auf den Markt, die nicht zum Gegenstand der Zensur gemacht wurden: Werke von Hans Sachs, Andachts- und Gebetbucher, ein Kartenspielbuch usw. Nach Bezzel (1999) allerdings ist sein bedeutendster Verdienst, dass er viele Neuigkeitsberichte in der Form von Flugschriften und Flugblattern in der Welt verbreitete. Seine Druckerei produzierte 63 Neuigkeitsberichte, und sie wurden zum Teil so haufig auch von anderen Druckern nachgedruckt, dass in Suddeutschland kein anderer vergleichbar hohe Auflagen erreichte. Ein Grund dafur liegt wahrscheinlich darin, dass er Themen auszuwahlen wusste, die beim Publikum gut ankamen. Vor diesem mediengeschichtlichen Hintergrund konnte man Ansatze fur die Ermittlung von Einflussen des neuen Mediums auf die Stadtsprache gewinnen: Ein Ansatz ware, Untersuchungen von Flugschriften vorzunehmen, die mit Rucksicht auf die grosse Nachfrage mehrmals gedruckt wurden, wie etwa die Neuigkeitsberichte Leonhard Heusslers. Im Vergleich zu Flugschriften aus der ersten Halfte des 16. Jahrhunderts wurden diese neueren Schriften von der bisherigen Forschung wenig zur Kenntnis genommen. Von Interesse ware zum Beispiel die Analyse der Verteilung von Relativsat-zeinleitungen in Neuigkeitsberichten. Im 16. Jahrhundert konkurrieren so und welcher mit dem Relativpronomen der. Wenn man die Auftrittshaufigkeit der drei Relativsatzeinleitungen versuchsweise in einer Flugschrift von Leonhard Heussler "Turckische grosse Niderlag" (1579) untersucht, erhalt man das folgende Ergebnis: der wird sechsmal verwendet (19.35%), so achtmal (25.81%), welcher 14mal (45.16%), sonstige dreimal (9.68%). Das Ergebnis zeigt eine andere Tendenz als das meiner bisherigen Analyse uber die Verteilung von Relativsatzeinleitungen in drei Textgruppen aus dem Nurnberg der zweiten Halfte des 16. Jahrhunderts: Kanzleitexte, Privattexte von Mannern aus Patrizierfamilien (drei Studenten und ein Kaufmann), Privattexte von Frauen aus Patrizierfamilien (Hausfrauen). In jeder Textgruppe kommt der am haufigsten zur Verwendung: Kanzleitexte 36.32%, Texte von Mannern 42.83%, von Frauen 42.06%. Es erschiene mir daher sinnvoll, vor allem die Auftrittshaufigkeit von welcher in anderen Neuigkeitsberichten von Leonhard Heussler zu untersuchen. Denn in Dal (1966) ist darauf hingewiesen, dass welcher bei Goethe und Schiller haufig belegt wird und diese Relativsatzeinleitung im 19. Jahrhundert "eine Zeitlang beinahe der aus der Schriftsprache verdrangt" hatte.
著者
新田 春夫
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.140, pp.76-91, 2010-03-25

In der fruhen Neuzeit sind Schriften u.a. durch die Herstellung billigen Papiers, durch die Erfindung der Druckkunst und durch die sich allmahlich verbreitende Alphabetisierung der allgemeinen Leute einem weit grosseren Kreise als im Mittelaiter zuganglich geworden. In der Reformationszeit wurden daher Schriften v.a. in Form von Flugschriften von den Autoren der Protestanten und der Katholiken wirkungsvoll eingesetzt, um allgemeine Leute fur ihr eigenes Lager zu gewinnen. In der vorliegenden Arbeit werden die bekehrenden Schriften der Reformationszeit unter dem Gesichtspunkt der Soziopragmatik analysiert. Von den 9 Textsorten, die Reichmann/Wegera (1988) unter dem Gesichtspunkt der Intention des Textherstellers aufgestellt haben, werden im Zusammenhang mit der Reformationsbewegung die Textsorten von legitimierenden, belehrenden und agitierenden Texten berucksichtigt, weil es hier um die Intention des Bekehrens der allgemeinen Leute geht. Zu den legitimierenden Texten gehoren theologische Schriften und Streitschriften. Als belehrende Texte sind Dialoge, Narrenliteratur und Fabel zu nennen. Zu den agitierenden Texten sind Sendbriefe zu zahlen. Als Materialien werden die folgenden Texte herangezogen: Martin Luther: An den christlichen Adel deutscher Nation (1520), Von der Freiheit eines Christenmenschen (1520), An den Bock zu Leipzig (1521); Hieronymus Emser: An den Stier zu Wittenberg (1521), Quadruplica auf Luhters jungst getane Antwort (1521); Thomas Murner: An den grossmachtigsten und durchleuchtigsten Adel deutscher Nation (1520), Von dem grossen Lutherischen Narren (1522); Hans Sachs: Die wittenbergisch Nachtigall (1523); anonymer Autor: Karsthans (1521). Zunachst werden diese Texte im Hinblick auf ihre inhaltlichen und sprachlichen Charakteristika untersucht. Dabei sind als Ergebnisse v.a. festzuhalten: 1) In Karsthans tritt der katholische Theologe Thomas Murner auf und druckt sich autoritar mit lateinischen Zitaten aus, aber der Bauer Karsthans lasst sich dadurch nicht einschuchtern. Das ist als Zeichen zu verstehen, dass Latein seine Autoritat einzubussen anfangt. 2) An manchen Stellen in Karsthans kann man ersehen, dass es Bauern gab, die lesen konnten, oder dass sie durch Vorlesenlassen der Schriften vieles lernen konnten. 3) In den Streitschriften schimpfen sowohl die Protestanten als auch die Katholiken grob aufeinander, indem sie ihre Kontrahenten als Tier bezeichnen oder ihre Namen verdrehen. 4) Syntaktisch gesehen sind die Texte der protestantischen Autoren einfacher und klarer strukturiert, um auch von den allgemeinen Leuten verstanden zu werden, wahrend die katholischen Autoren kompliziertere Satze bildeten, weil sie nicht daran dachten, die allgemeinen Leute aufzuklaren. 5) Sowohl die protestantischen als auch die katholischen Autoren gaben sich Muhe, eindrucksvolle Texte zu gestalten, indem sie verschiedene rhetorische Stilmittel wirkungsvoll verwendeten. Als nachstes werden die Schriften nach den Textsorten analysiert. Als Ergebnisse sind u.a. anzugeben: 1) In den theologischen Schriften, die zur legitimierenden Textsorte gehoren, behandelt man fachliche Themen, von denen die allgemeinen Leute des protestantischen Lagers durch Vorlesen der Schriften, etwa bei den Versammlungen, gut informiert gewesen zu sein scheinen. 2) In den Streitschriften, die zur legitimierenden Textsorte gehoren, greifen die protestantischen Autoren ihre Kontrahenten vehement und direkt an, wahrend die katholischen Autoren sich eher indirekt und ironisch ausdrucken. Der Unterschied der Einstellungen liegt sehr wohl an ihrer jeweiligen sozialen Stellung. 3) Die Dialoge, die zur belehrenden Textsorte gehoren, sind ausschliesslich von den protestantischen Autoren verfasst, weil es diesen von Belang war, allgemeine Leute mit leichten Texten aufzuklaren, wahrend die Katholiken es eher vermieden. 4) Die Narrenliteratur, die zur belehrenden Textsorte gehort, vermieden die protestantischen Autoren zu schreiben, weil die Narrenliteratur humanistischer Pragung war, und davon ausging, dass die Menschen die Freiheit zum Guten und Bosen haben und Gott durch Vernunft erkennen konnen. Luther aber war ganz entgegengesetzter Meinung. 5) Fabeln wurden von den protestantischen Autoren wie Hans Sachs geschrieben, um die allgemeinen Leute aufzuklaren, weil man mit den Fabeln sehr anschaulich die Missstande des Papsttums vorfuhren konnte. 6) Wenn man die zur agitierenden Textsorte gehorenden Sendbriefe von Luther und Murner vergleicht, lasst sich feststellen, dass Luther zwar sich an den Kaiser und die deutschen Fursten wendet, aber in dem Hauptteil des Briefes nicht nur an sie, sondern auch an die allgemeinen Leser appelliert und sie dazu bewegen will, die Missstande des Papsttums zu beseitigen. Im Unterschied dazu wendet sich Murner ebenfalls an den Kaiser und die deutschen Adligen, fordert sie aber auf, die christliche Welt vor den Aufstandigen zu schutzen, wobei aber an die allgemeinen Leser als Adressaten nicht gedacht wird.
著者
岩本 剛
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.130, pp.47-66, 2006-10-30

Benjamins Massenkritik in der Baudelaire-Studie gehort zu seiner Erfahrungstheorie, die seit Ende der 1920er-Jahre, wenn auch weniger systematisch als fragmentarisch, entwickelt wurde und deren Sammlung das Passagen-Werk. (1927-1940) werden sollte. Entscheidend fur Benjamins Erfahrungstheorie, die versucht, in soziologischer und geschichtsphilosophischer Perspektive den strukturellen Erfarungswandel der Moderne und dessen gesellschaftliche Bedingungen zu beschreiben, sind die Einsichten uber "Erfahrungsarmut". Nach Benjamins Diagnose, die sich explizit auf Freuds psychoanalytische Hypothesen in Jenseits des Lustprinzips (1920) beruft, liegt die "Erfahrungsarmut" der Moderne vorwiegend an der Dominanz des traumahaften "Chockerlebnisses", ein Schock, dessen Hauptursache im Konflikt von Individuum und Kollektiv im groβstadtischen gesteigerten "Nervenleben" (G. Simmel) zu finden ist. Die Erfahrung der Masse, die bei Benjamin vor allem mit einem gescharften Bewusstsein uber die Krisis der burgerlichen Intelligenz gekoppelt ist, wird als strukturelles Element der Erfahrbarkeit der Moderne hingenommen. Benjamins Erfahrungstheorie vollzieht die Analyse der gesellschaftlichen Erfahrung, der der "Mann der Menge" gegenubersteht, an einem Prufstein, in den die Hauptfrage seiner Massenkritik gemeiβelt ist: Ob und wie kann ein Individuum als "Mann der Menge" angesichts der Auflosung seiner sozialen Subjektivitat in der Erfahrung der Masse das eigene soziale Subjekt rekonstruierend zuruckgewinnen und sich in der Gesellschaft re-orientieren? Adornos massive Kritik gegen den ersten Baudelaire-Aufsatz Das Paris des Second Empire bei Baudelaire (1938) sowie dessen Umarbeitung zum zweiten Aufsatz Uber einige Motive bei Baudelaire (1939) haben Benjamin Anlass gegeben, das Bild des Flaneurs als Archetyp des "Muβiggangers" grundlich zu revidieren und im Zusammenhang der Erfahrung der Masse erneut zu konzipieren. In einer Notiz aus der Baudelaire-Studic steht: "Baudelaires Phantasie umspielt den Muβigganger. Er macht ihn zu einer Metamorphose des Heros. So setzt er ihn als Staffage in sein Fresko der Modernitat hinein"-der Flaneur als "Muβigganger" soll inmitten und anhand der Erfahrung der Masse eine heroische Metamorphose zum neuen sozialen Subjekt in der kommenden Gesellschaft erleben. Doch diese Phantasie ist nicht so sehr Baudelaires, als vielmehr Benjamins, der mit Poe eine "planvoll entstellende Phantasie" teilt; Benjamins "Baudelaire" stellt uberdies nichts Anderes als ein durch die Oepration der burgerlichen Uberlieferung strategisch konstruiertes Bild des Dichters dar. Hier lassen sich zwei parallel laufende Entwurfe in der Baudelaire-Studie beobachten: 1) Poes Erzahlung The Man of the Crowd (1840) interpretiert Benjamin als fruheste Schilderung des Flaneurs, die bereits die Figur seines Endes enthalte und aus der Benjamin kraft einer "planvoll entstellenden Phantasie" den gesamten Geschichtsverlauf der Figur des Flaneurs umreiβt; 2) diesen gesamten Geschichtsverlauf des Flaneurs laβt Benjamin seinen "Baudelaire" als Medium (im Sinne der Testperson) verfolgen, um eine politische Biographic des Flaneurs in der Zeit der Massendemokratie zu simulieren und die Authentizitat des oben genannten phantastischen Szenarios von der heroischen sozialen Verwandlung des Flaneurs zu uberprufen. Der Typ des Flaneurs ist es, der sich als "Ubergangsphanomen" (G. Raulet) an der Schwelle von Individuum und Kollektiv generiert. An dieser Schwelle treten, so Benjamins Beobachtung, die "Passagen" in Erscheinung, eine transitorische Mittelwelt, in der der Flaneur zu Hause ist. Diese Mittelwelt muss nicht nur im raumlichen sondern auch im zeitlichen Sinne verstanden werden: Sie ist namlich 1) die Mitte zwischen dem Interieur des burgerlichen Individuums als "Etui-Menschen" und der Straβe der unheimlichen amorphen Masse und 2) die zwischen der gegenwartigen Gesellschaft, wo ein starrer Konflikt von Individuum und Kollektiv herrscht, und der zukunftigen, die die Geburt des neuen sozialen Subjekts durch eine asthetisch vermittelte Durchdringung von Individuum und Kollektiv erwartet. In dieser Mittelwelt fuhrt nach Benjamins phantastischem Szenario der Flaneur einen Zweifrontenkampf aus: Der Flaneur durchbricht die Innerlichkeit als sozial bedingte Schranke der burgerlichen Subjektivitat und wiederum die verfuhrende wie trugende Vision, in eine "kompakte Masse" als monstroser Automat eingesaugt und im Rausch sich verlierend mit dieser vereinigt zu werden. Dieser Kampf als politische Aufgabe des Flaneurs soll erst damit enden, dass die "Passagen" mit der Durchdringung von Individuum und Kollektiv implodieren. In den "Passagen" kontemplativ zu verharren, wirkt, wie man anhand der Beobachtung Benjamins schon antizipieren kann, fur den Flaneur letztendlich fatal. Schon bei der Umarbeitung des Baudelaire-Aufsatzes war Benjamin die politische Aktualitat seiner Massenkritik bewusst. Doch anders als Adorno, der sie ausschlieβlich im Kontext der aktuellen politischen Situation unter dem Faschismus messen wollte, legte Benjamin sie in erster Linie an die politischen Erfahrungen der deklassierten wie depossessierten Intellektuellen seit den fruheren 1920er-Jahren an; die Masse hat das Bildungsburgertum, dem auch Benjamin angehorte, seines intellektuellen Fuhrungsanspruches enthoben und die Frage nach dem Selbstverstandnis des Intellektuellen provoziert. Anlaβlich der gescheiterten Habilitation sowie der Hinwendung zum literarischen Journalismus hat Benjamin seine vorherige Kritik gegen die burgerliche Gesellschaft politisch radikalisiert, so dass die Frage der burgerlichen Intellektuellen nach der Neudefinition der gesellschaftlichen Position und ihrer politischen Funktion immer brennender wurde. In einem derartigen Kontext wird Benjamins Massenkritik in der Baudelaire-Studie. als Demonstration einer doppelten Lekture interpretiert: Benjamin liest Baudelaire, wodurch er das Bild "Baudelaire", das zugleich sein Ebenbild darstellt, zusammensetzt; im Bild "Baudelaire" als Reflexionsmedium liest Benjamin als uberzeugter politischer Flaneur, in gewissem Sinne seinen "Baudelaire" zum Vorwand nehmend, die eigenen politischen Erfahrungen. Kurzum: Benjamins Massenkritik ist Dokument der eigenen politischen Bewusstwerdung und deren Selbstanalyse. Benjamins Massenkritik entwickelt sich vor allem in asthetischer Dimension, was ihn dem hektischen politischen Engagement der Intellektuellen entfremdet hat. Im Gegensatz zum Aktivismus der burgerlichen Linken beschrankt Benjamin sein Denken auf die "Politisierung des Asthetischen", um einen asthetischen Zugriff auf das Phanomen der Masse zu finden. Diese wird ihrerseits als latenter Zustand der groβstadtischen Gesellschaft in der Ubergangsepoche zu einer neuen Gesellschaftsformation beschrieben, mithin als "Ubergangsphanomen" wie der Typ des Flaneurs selbst. Der "schreibende Revolutionar", mit dem sich Benjamin, so scheint es, identifizieren wollte, macht es sich zur Aufgabe, die Bedingungen der Selbstwahrnehmung der Masse zu analysieren. Diese Selbstwahrnehmung ist Benjamins Ansicht nach ein asthetisch vermittelter politischer Vorgang, der von der Frage motiviert ist, in welcher Gestalt die Masse ihren adaquaten Ausdruck finden konne. Die Aufgabe des Flaneurs in der Mittelwelt ist, wie es etwa im Surrealismus-Essay (1929) heiβt, die Erzeugung des "Bildraums", in dem sich die asthetische Durchdringung von Individuum und Kollektiv ereignen soil; dieser ist, mit anderen Worten, eine vorwegnehmende asthetische Konstruktion der "kollektiven Physis", die zur Realisierung in der kommenden Gesellschaft die Gestalt des neuen sozialen Subjekts des Flaneurs benotigt. Was Benjamin aus dem simulierten Geschichtsverlauf des Flaneurs, der von jenem phantastischen Szenario seiner heroischen sozialen Verwandlung immer mehr abweichen wird, herausliest, ist jedoch die Totgeburt der "kollektiven Physis". Der Flaneur, der einmal aus dem kontemplativen Bannkreis in der Mittelwelt in die Straβe hinaustritt, wird, wie die Figur seines Endes in Poes Erzahlung schon andeutet, umgehend in eine "in sich bewegte, in sich beseelte Menge" widerstandslos eingesaugt und dann mit einer "kompakten Masse" als monstroser Automat vereinigt. Hiermit ist die heroische Metamorphose des "Muβiggangers" zum neuen sozialen Subjekt der Moderne definitiv gescheitert. Angesichts dieser Tatsache zieht sich Benjamin nun als gescheiterter "schreibender Revolutionar" mit seinem "Baudelaire" zusammen auf die Position in der kontemplativen Mittelwelt, namlich in seinem Passagen-Werk, zuruck.